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Löwenmäßig gähnen

Wir alle tun es, aber warum? Diese Frage ist längst noch nicht geklärt. Das Gähnen zieht sich durch das Tierreich: ob Säugetiere, Vögel oder Reptilien. Sie alle Üben sich in dieser seltsamen mimischen Aktivität. Auch beim Menschen ist dieses Phänomen zu beobachten – ob aus innerem Antrieb oder weil man angesteckt wurde.

Was passiert beim Gähnen?

Gegähnt wird meist unbeabsichtigt. Wir reißen den Mund so weit es geht auf, die Lippen werden zurückgezogen und wir atmen genüsslich tief ein. Auch die oberen Atemwege weiten sich und der Kehlkopf senkt sich. Auf dem Höhepunkt des Gähnens hat unser Schlund die Vierfache Größe wie sonst. Die Augen schließen sich und ein japsendes Geräusch ist zu vernehmen. Die gesamte Muskulatur von Kopf, Gesicht, Nacken, Brustkorb bis Zwerchfell spannt sich kurzfristig stark an, andere Muskeln und Gelenke werden gedehnt, um sich danach wieder total zu entspannen. Anschließend atmen wir ebenso geräuschvoll wieder aus. Der Vorgang dauert 5 bis 10 Sekunden.
Dieses Prinzip des Anspannens und Entspannens nutzte übrigens auch der US-amerikanischer Dr. Edmund Jacobson bei der Entwicklung seiner Entspannungstechnik der Progressiven Muskelrelaxation.

Warum gähnen wir?

Hat das Gähnen mit einer erhöhten Sauerstoffaufnahme zu tun? Diese Annahme konnte in wissenschaftlichen Studien nicht bestätigt werden.
Möglicherweise erhöht das Gähnen vor einer Aktivität die Aufmerksamkeit, da beispielsweise Löwen gähnen bevor sie auf die Jagd gehen. Ebenso recken und strecken sie sich, um den Muskeltonus zu erhöhen und ihr Fasziengewebe auf Spritzigkeit und Schnellkraft vorzubereiten.
Das Gähnen hat ein breites Spektrum an Funktionen und Wirkungen. Es kann einerseits Pathologien wie einen ausgerenkten Kiefer hervorrufen. Andererseits kann man durch Gähnen verschlagene Ohren wieder aufbekommen.
Wir gähnen morgens nach dem Aufstehen um munter zu werden und abends wenn wir müde sind. Eine Theorie besagt daher, dass der Gähnvorgang die Wachheit stimuliert. Bei Fallschirmspringern wird beispielsweise beobachtet, dass sie vor dem Sprung oftmals gähnen, wahrscheinlich, um Wachheit und Aufmerksamkeit zu fördern.
Es gibt aber auch ein soziales Gähnen, dass z. B. bei Affen beobachtet wird. Die männlichen Affen gähnen häufiger und dies scheint mit vermehrtem Testosteron zusammenhängen. Kastrierte männliche Affen gähnen seltener. Beim Menschen gibt es keine beobachteten geschlechtsspezifischen Unterschiede.

Welche Gehirnregionen sind beim Gähnen beteiligt?

Gähnen kann mit der Aktivität verschiedener Gehirnregionen in Verbindung gebracht werden.

Etwa dürfte das „Sich-von-anderen-Menschen-anstecken-lassen“ mit dem Neocortex, dem multisensorischen und motorischen Teil der Großhirnrinde zu tun haben.
Für das emotional bedingte Gähnen gibt es vermutlich einen Zusammenhang mit dem Limbischen System. Denn hier werden Gefühle reguliert und Bereitschaften gesteuert. Im Hypothalamus entstehen die gefühlsmäßigen Reaktionen.
Im Stammhirn (Reptiliengehirn) – dem ältesten Hirnareal – sind angeborene Verhaltensweisen angelegt. Man kann in Ultraschalluntersuchungen bereits während der 11. Schwangerschaftswoche – zu einem Zeitpunkt, wo erst das Stammhirn des Fötus ausgebildet ist – den Gähnvorgang des Ungeborenen beobachten. Offensichtlich ist das Gähnen in unserem ältesten Gehirnareal schon angelegt und die muskuläre Aktivität des Gähnens hat möglicherweise eine stimulierende Funktion, welche die weitere Gehirnentwicklung fördert. Kinder, deren Gehirn sich nicht weiterentwickelt hat, überleben nach der Geburt nur ein paar Stunden. Aber sie gähnen und strecken sich während ihrer kurzen Zeit ihres Daseins.

Welche Rolle spielen die Spiegelneuronen, die ebenfalls in den verschiedenen Gehirnregionen präsent sind.

In Untersuchungen hat man festgestellt, dass beim Gähnen die gleichen Gehirnregionen aktiv sind, denen wir die Fähigkeit des Mitgefühls (Empathie) verdanken.
Es gibt also mehrere Hypothesen zum Sinn und Zweck des Gähnens. Je nach Auslöser wird die jeweilige Gehirnregion beim Gähnen angeregt.

Zum Beispiel Stammhirn-Gähnen: Es entsteht reflexartig, wenn es ums „Überleben“ geht. Es sorgt für die Aktivierung der Muskulatur und
des Kreislaufs. Damit wird unter anderem auch der Atemmechanismus in Gang gesetzt, der Herzschlag verstärkt und die allgemeine Leistungsbereitschaft

Gähnen und Augen

Im Ganzheitlichen Sehtraining hat das Gähnen einen wichtigen Stellenwert.
Durch das Gähnen wird die Muskulatur kurzfristig angespannt. In Folge kann sich die Muskulatur des Kiefers, der Mimik, des Nackens und auch der Augen wieder entspannen. Wenn man mehrmals hintereinander gähnt, beginnen die Augen zu tränen. Dies ist sehr wichtig, damit die Augen gereinigt und befeuchtet werden.
Durch langes Starren auf den Computer vergessen wir zu blinzeln und die Augen werden trocken. Man hat festgestellt, dass beim Arbeiten am Computer anstatt 20 mal nur noch 6 mal pro Minute geblinzelt wird.

Tipp

bei trockenen Augen

Tipp für trockene Augen

Durch
bewusstes, mehrmaliges Gähnen
können die Augen
befeuchten werden.

Zusammenfassung der 10 gesundheitliche Vorteile des Gähnens vom Ganzheitlichen Sehtrainer Heimo Grimm:

  1. Gähnen führt den Körperzellen frischen Sauerstoff zu
  2. Gähnen spannt erst und lockert dann die Muskeln um das Auge. Kraftvolles Gähnen tut das für alle Muskeln – von der
    Schädeldecke bis in den Unterbauch
  3. Gähnen kann negative Stimmung in positive umwandeln
  4. Gähnen verändert den PH-Wert des Blutes und verringert den Giftstoffpegel im gesamten Organismus
  5. Unser Verstand wird durch das Gähnen aufgeschlossener für neue Erfahrungen
  6. Gähnen unterstützt die Entgiftung der Leber und gleicht den Energiefluss im Leber- und Gallenmeridian aus
  7. Es weckt uns morgens auf und leitet uns nachts in tiefen und geruhsamen Schlaf
  8. Gähnen regt die Produktion erfrischender Tränen an, die müde Augen baden und chronisch trockene Augen anfeuchten
  9. Gähnen entspannt den Solarplexus-Bereich und die Bauchmuskeln, mit denen Verdauungsbeschwerden zusammenhängen. Wohlbefinden breitet sich im Bauch aus.
  10. Gähnen wirkt ansteckend und bringt uns in Gesellschaft oft zum Lachen.

Was immer die Auslöser für Gähnen sind, wie auch immer die genauen Mechanismen im Körper ablaufen und welchen Sinn dieses von jedem gekonnte Kunststück auch hat. Wir wissen es (noch) nicht.
Nehmen wir das Gähnen als Zeichen bzw. Signal des Körpers. Vielleicht braucht er gerade Aktivität und Wachheit, Schlaf, Sauerstoff, Entspannung oder einfach im Moment eine Veränderung.